Mittwoch, 18. Juli 2018

Erosion der transatlantischen Partnerschaft: Europa muss selbstbewusst seinen eigenen Weg gehen

Die New Yorker bewahren sich auch in ernsten Zeiten ihren Humor. Souvenirläden in Manhattan bieten neuerdings nicht mehr nur T-Shirts, Tassen und kleine Modelle von Wolkenkratzern an. Zu kaufen gibt es nunmehr auch den Trump-Troll. "Hair to the chief!", heißt es auf der Verpackung höhnisch. Für weniger als zehn Dollar ist er zu haben, übrigens auch im Internet.

Mit Entsetzen verfolgen viele Amerikaner - insbesondere jene an der eher von Demokraten dominierten Ostküste-, was sich US-Präsident Donald Trump auf der weltpolitischen Bühne in diesen Tagen leistet. Wöchentlich, wenn nicht gar täglich, brüskiert er engste Verbündete. Kanzlerin Angela Merkel sei ein "Star" gewesen - "bis zur Flüchtlingskrise". Mit Blick auf die britische Premierministerin Theresa May sagte er gegenüber einer Boulevardzeitung, Boris Johnson, bis dato britischer Außenminister, wäre ein "großartiger" Premierminister. Indirekt stellte er außerdem zumindest zeitweise die NATO infrage und schwärmte von seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland habe sich nicht in den US-Wahlkampf eingemischt, behauptete Trump. Zumindest anfangs.

In der Folge musste er zurück rudern - die parteiübergreifende Empörung in seiner Heimat drohte, Überhand zu nehmen. Nicht viel weniger bizarr waren Trumps wirtschaftspolitische Impulse in den vergangenen Wochen. Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa, Zölle auf chinesische Produkte - Donald Trump ist offenbar weiterhin davon überzeugt, dass Protektionismus zu mehr Wohlstand in seinem Land führt - obwohl Ökonomen weitgehend einer Meinung sind, dass Handelskonflikte im Regelfall nur Verlierer kennen.


Verbündete werden bei Trump zu "Feinden"


Auffällig auch hier: Trump sucht nicht nur den Konflikt mit Wirtschaftsmächten wie China, die in der Tat auch Handelsbarrieren noch weiter abbauen müssten. Nein, auch bei den Verbündeten macht er keine Ausnahmen. Traurige Höhepunkte: In einem Fernsehinterview bezeichnete er die EU als "Feind" und bei seinem Besuch in Großbritannien empfahl er der britischen Premierministerin May mit Blick auf den Brexit, sie solle die EU verklagen - andernfalls müssten die USA noch mal darüber nachdenken, ob sie mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit überhaupt einen neuen bilateralen Handelsvertrag aushandeln. Selbst an "speziellen Beziehungen", wie sie die USA stets zur Freude der Briten pflegten, hat Trump offenkundig kein Interesse - wenn er davon nicht zuvorderst profitiert.

Nach etwa eineinhalb Jahren Trump-Regentschaft lassen sich zwei nüchterne Feststellungen ziehen: All jene, die glaubten, dass der US-Präsident seine im Wahlkampf geäußerten Vorhaben nicht umsetzen wird, dürften inzwischen festgestellt haben, dass Trump sehr wohl versucht, seine Ziele zu erreichen. Mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich. Und zweitens: So umstritten sein Handeln bislang auch ist - dass Trump bereits nach vier Jahren das Weiße Haus wieder räumen muss, ist alles andere als selbstverständlich. Die ländliche Bevölkerung sowie diejenigen, die sich abgehängt fühlen, stehen weiter in großer Zahl zu ihm. Trotz jüngster Affären und Skandale stimmen laut Meinungsumfragen noch immer 43 Prozent der Amerikaner der Politik Trumps zu, knapp 53 Prozent lehnen sie ab.


Wer nicht auf Augenhöhe ist, wird zum Spielball


Vieles spricht insofern dafür, dass die transatlantische Partnerschaft weiter erodiert. Die Frage ist, wie die Europäer darauf reagieren. So bedauerlich die Entwicklungen auch sein mögen - mit den richtigen Weichenstellungen könnte Europa, insbesondere die Europäische Union mit ihren Institutionen gestärkt hervorgehen. Das lässt sich etwa am Handelskonflikt festmachen: Kein einzelnes europäisches Land - auch nicht Deutschland - wäre in der Lage, "Deals" auf Augenhöhe mit Trump auszuhandeln, allein schon aufgrund der schieren Größe der amerikanischen Volkswirtschaft. Bereits jetzt zeigt sich das mit Blick auf die Briten, die aus der EU austreten wollen: Trump droht ihnen unverhohlen. Spezielle Freundschaft hin oder her, wer nicht auf Augenhöhe ist, wird zum Spielball.

Europa hingegen ist mit seinem großen Binnenmarkt in der Lage, in harten Verhandlungen mit Trump zu bestehen. Zumindest dann, wenn sich die Europäer nicht selbst im Weg stehen. Wenn sie geschlossen und selbstbewusst agieren. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk haben sich bislang achtbar geschlagen. Nicht nur, dass die EU Gegenmaßnahmen gegen die Strafzölle auf Aluminium und Stahl ergriff - jüngst gelang es auch, mit Japan, der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, ein Freihandelsabkommen zu schließen und damit gegen den Trumpschen Protektionismus ein Zeichen zu setzen.

Hoffnungsvolle Zeichen gab es jüngst auch aus dem Reich der Mitte. Die chinesische Regierung ist von den Vorzügen des Freihandels überzeugt und sucht verstärkt den Schulterschluss zur EU. Doch auch gegenüber der aufstrebenden Weltmacht wären die Europäer gut beraten, gemeinsam zu agieren - zu eklatant sind die Unterschiede in den Wertvorstellungen. Und wie bereits erwähnt, hat sich China noch lange nicht von unfairen Handelspraktiken ganz verabschiedet.


Europas Rechtspopulisten könnten Trump in die Hände spielen



Wie erfolgreich sich die EU insbesondere gegen den Trumpschen Populismus und Nationalismus ("America first") stemmen kann, wird aber auch davon abhängen, inwiefern rechter Populismus innerhalb Europas zurückgedrängt werden kann. In Frankreich ist dies zunächst gelungen. Emmanuel Macron wagte es gar, den Wahlkampf mit einem klaren Bekenntnis zu Europa zu bestreiten. Und er konnte schon damals mit dem Finger auf Trump zeigen, weil sich seinerzeit schon abzeichnete, welches Chaos entsteht, wenn Populisten regieren.

In Italien hingegen haben jüngst die Rechtspopulisten gewonnen und selbst in Deutschland gibt es Grund zur Sorge: Ausgerechnet die einst so europafreundliche Union hat sich durch den Aufstieg der AfD so sehr verunsichern lassen, dass Kanzlerin Angela Merkel inzwischen als geschwächt gilt. Statt Europa zu stärken, erhalten in der Union politische Ideen vermehrt Zuspruch, die letztlich Europa schwächen würden. Und die von der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit abgelehnt werden, wenn man mal von 10 Prozent "besorgten Bürgern" absieht.


Appelle an den guten Ton werden nicht ausreichen



Trump wird jedenfalls alles daran setzen, um einen Keil zwischen die Europäer zu treiben. Jüngst hat er dies bereits bei May versucht mit dem Rat, die EU zu verklagen. Allein das Appellieren an den guten Ton und das Verweisen auf die Wichtigkeit von Bündnistreue wird nicht reichen, um den US-Präsidenten zur Vernunft zu bringen. Wer sich gegenüber Trump behaupten will, muss Stärke zeigen, um von ihm respektiert zu werden. Daran muss Europa noch arbeiten.

Um nicht einen irreversiblen Bruch der transatlantischen Partnerschaft herbeizuführen, wird Europa aber auch überlegen müssen, inwiefern es Trump bei berechtigter Kritik entgegen kommt. Amerika ist perspektivisch nicht mehr die Weltmacht, die ganz selbstverständlich für die Sicherheit Europas sorgen kann. Europa muss mehr in die eigene Sicherheit investieren und auch Deutschland wird - auch wenn es unpopulär ist - einen Beitrag für die militärische Aufrüstung Europas leisten müssen.

Im Handelskonflikt könnte die EU dem US-Präsidenten ebenfalls entgegen kommen, ihm den Vorschlag unterbreiten, dass beide Wirtschaftsräume weitgehend ihre Zölle abbauen. Das Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche" wäre möglicherweise für die EU ein Weg, um die Beziehungen zu den USA auch in der Ära Trump aufrecht zu erhalten.